Festivalort 2023

ehemalige Strumpfwarenfabrik und Geschäfte

Jakobstraße 2/3 02826 Görlitz

Die Geschichte der Jakobstraße 2/3

Die Geschichte der Jakobstraße 2/3

Jakobstr. 2, gebaut 1909/10 gebaut von Baumeister Franz Grunert im Auftrag von Leopold Cohn.
Jakobstr. 3, gebaut 1868 als Wohnhaus vom Uhrenfabrikant August Eduard Röhrig, 1896 wird die Fabrik im Hinterhof von Leopold Cohn gebaut, der 1895 das Wohnhaus gekauft hatte und umbauen lässt.

Die Fabrik im Hinterhof der Wohn- und Geschäftshäuser Jakobstraße 2/3 gehörte einmal Leopold Cohn, der den Neubau des Fabrikgebäudes veranlasst.
Auf der Jakobstraße war der Sitz der „Louis Cohn Strumpfwarenfabrik“, die sich mit der Herstellung von gestrickten Strümpfen, Socken und Sportstrümpfen befasste, die in alle Welt verschickt wurden. Diese bestand seit 1846, gegründet von Louis Cohn. Der Sohn, Leopold Cohn, tritt in das Geschäft ein im Jahre 1857. Das erste Gebäude befand sich damals auf dem Marienplatz 2. Später siedelte man nach der Jakobstraße über, das Grundstück und Wohnhaus wird 1895 erworben, 1896 wird die Fabrik im Hinterhof der Jakobstraße 3 gebaut. Die dort befindlichen Lager- und Kontorräume verbleiben in Nutzung, als man die eigentliche Fabrikation im Jahre 1923 in ein modernes Fabrikgebäude auf der Jauernicker Straße in der Görlitzer Südstadt errichtet. Mehrere tausend Dutzend Paar Strümpfe und Socken verliessen in der Woche die Werksräume und Fabrikation der Louis Cohn Strumpfwarenfabrik AG, und rechnet man einmal die Herstellung eines ganzen Jahres zusammen, so kamen mehrere Millionen von Strümpfen zusammen die von Görlitz aus ihren Weg in den Großhandel und an die größten Einzelhändler gingen. Fritz und Ludwig Cohn, die Söhne von Leopold Cohn verantworten die Geschäftsführung. Ludwig Cohn, geb. 1875 starb 1938 in Buchenwald in Folge der Haftbedingungen. Im Dezember 1938 wurde der Besitz und die Fabrik der jüdischen Familie Cohn Zwangsverstaatlicht, die Parteibehörden setzten einen neuen Geschäftsführer ein. Mit dem unter Zwang erfolgten Verkauf des gesamten Vermögens der eh. Cohnschen Strumpfwarenfabrik durch die damaligen Eigentümer und Nachfolger, den jüdischen Kaufmann Rudolf Milchner und Alfred Feldmann. Die Familien Cohn, Feldmann und Milchner fliehen aus Görlitz und können der Verfolgung entgehen. Heute leben Nachfahren der Familien von Fritz und Ludwig Cohn in Israel, Brasilien und den USA.
Neben Judenhäusern auf der Steinstraße und der Viktoriastraße wurde 1939 ein weiteres Judenhaus auf der Jakobstrasse 3 eingerichtet worden. Als Judenhaus wurden in der Behördensprache des NS-Staates Wohnhäuser aus ehemals jüdischem Eigentum bezeichnet, in die ausschließlich jüdische Mieter und Untermieter zwangsweise eingewiesen wurden. An diese leidvolle Geschichte erinnern vor dem Haus Jakobstraße Nr. 3 Stolpersteine an die Familie von Dr. Erich Oppenheimer, seiner Frau und den Sohn Werner die im Juli 2007 verlegt wurden.
Von der Jakobstraße führte der Weg der Familie Oppenheimer und anderer jüdischer Familien 1942 in das Arbeitslager in Tormersdorf, wo die Eheleute mit dem Wissen der anstehenden Deportation Selbstmord begehen. Der Sohn Werner stirbt 1942 im Konzentrationslager in Lublin.
In der Nachkriegszeit wurde das von Louis Cohn gegründete Unternehmen volkseigen und firmierte unter der Bezeichnung VEB Görlitzer Strumpfwarenfabrik, später unter der Bezeichnung VEB Kinderstrickwaren Ebersbach.
Das Fabrikgebäude auf der Jakobstraße wurde bis zum Ende der DDR Zeit als Werk 2 des VEB Feuerlöschgerätewerkes genutzt. Ein Teil des Fabrikgebäudes im Hinterhof auf der Jakobstraße wurde vor wenigen Jahren abgerissen.

 

Text: Daniel Breutmann, goerlitz21 e.V. / Netzwerk Industriekultur Görlitz